Nach Sanzibar

Wir folgten unserem guide auf verschlungenen Pfaden durch die Bauten der kaiserlichen Zollstation. Die Mauern aus Korallensteinen, ein Material welches in dieser Region üblicherweise zum Errichten von Bauwerken benutzt wurde, waren 80 cm dick und endeten 4 Meter weiter oben. Dort war vor 100 Jahren mal ein Dach. Von dieser Höhe hatten sich Wurzeln nach unten gerankt und umschlossen so die Mauer. Der Anblick beeindruckte uns sehr. Wie wuchsen Wurzeln nach unten? Wo nahm die Pflanze die Nahrung her, bevor die Wurzeln das Erdreich erreichten? Sie waren sehr kräftig und werden das Gemäuer zerdrücken wenn sie so weiter wachsen. Doch wer wollte sie aufhalten?
Hinter dem ehemaligen Zollgebäude begann sofort das Gelände des Hotels. Die Wege waren mit seitlichen Steinen markiert und machten einen gepflegten Eindruck. Jenseits dieser Ordnung begann sofort die üppige tropische Pflanzenwelt. Hinter einer Biegung standen wir vor dem Foyer des Hotels. Dies war eine nach allen Seiten offenen überdachte Fläche. Einige Tische und Stühle standen zwanglos umher und vermittelten den Eindruck als sei alles in Benutzung und nicht steril wie in einem europäischen Hotel. Zwei Männer kamen auf das Rufen unseres Führers und wir frugen sie nach einem Hotelzimmer. Der Chef war aber in Kilidoni und sie waren nicht befugt irgendwelche Verhandlungen zu führen. Da er gegen Mittag zurück sein wollte, ließen wir uns zwei Bier bringen, setzten uns in den Schatten und trockneten unsere nassen Hosen.
Vor uns, von Mangroven verdeckt, lag die Chole Bay. Man mußte, wenn man über die Wipfel hinwegschauen könnte einen herrlichen Ausblick haben. Wir besichtigten die Hotelanlage. Sie bestand aus dem Küchentrakt, vier Zelten mit Dusche und drei Baumhäusern. Wir ließen, voller Vertrauen, unsere Rucksäcke zurück und machten einen Rundgang durch das Dorf. Die Häuser lagen sehr weit auseinander. Sie waren nach dem afrikanischen Prinzip errichtet, das man das Gackern der Hühner seines Nachbarn nicht hören solle. Im Chole Imbiß nahmen wir einen frischen Chapati und Tee. So gestärkt, hatten wir nach einer Stunde die gesamte Insel besichtigt und nahmen wieder bei unseren Rucksäcken Platz. Zwischen uns und dem Ufer war eine Vogeltränke, die fleißig besucht wurde. Diesem Schauspiel mit ständig wechselnder Besetzung konnte man ohne Ermüdung lange zusehen. Die bunt schillernden Piepmätze boten ein kurzweiliges Programm.
Gegen Mittag kam die Chefin, eine Amerikanerin und zeigte uns jedes Baumhaus. Es waren alles Unikate und eines schöner als das andere. Alle besaßen hängende Betten, die leicht im Wind schaukelten. Der Blick über die Chole Bay vervollständigte diesen Traum. Als wir die Preise von 50-80 US $ bei Vollpension pro Kopf  hörten, erwachten wir und verabschiedeten  uns schnell von der einsamen Amerikanerin, die dringend einen Koch suchte.
Am Ufer lag das Boot, welches uns her gebracht hatte. Also, nicht ganz am Ufer, wir mußten wieder 100 m durchs Wasser. Die Hosen wurden bei jedem Ortswechsel naß. Einige Frauen saßen schon und weitere kamen noch nach uns an Bord. Auch der junge Mann, der mit uns aus Kilidoni gekommen war, fuhr wieder zurück. Aber wir hatten den rechten Zeitpunkt verpaßt, die Ebbe hatte schon begonnen und das Boot saß fest. Der Bootsführer und seine Helfer versuchten mit Stangen den Kahn flott zu bekommen, vergeblich. Das lag nicht nur daran, daß sie sich über die Richtung in die zu Staken war, nicht einigen konnten. Es half nichts, wir mußten aussteigen. Nicht nur wir, alle. Mit vereinten Kräften und energischen „twente, twente“ Rufen, bewegte sich das Boot nur im Kreise, weil die Schieber an Backbord nach vorn und die an Steuerbord nach hinten schoben. Wir waren naß bis an die Hüften und wollten nur nach Mafia Island. Da die Afrikaner sich nicht einigen konnten, welche Richtung die richtige ist, übernahm Andreas das Kommando. Das Boot saß so fest, daß wir uns alle sehr anstrengen mußten. Doch Andreas‘ sein „twente, twente“, mobilisierte die letzten Kräfte und es ging ein Ruck durch das Boot, es schwamm. Auf der kurzen Überfahrt gab es viel Gelächter und Anerkennung für Andreas. Denn ohne ihn hätten wir bis zur Flut warten müssen.
Das Ritual der Ankunft auf der Insel ist bekannt. Wir entledigten uns sofort unserer nassen Klamotten an einer abseits gelegenen Stelle und gingen schwimmen. Herrlich! Das Wasser hatte 27 oC und erfrischte uns köstlich. Die Hosen waren fast trocken und so traten wir den Rückweg nach Kilidoni an.
Wir frugen den Fahrer eines alten Jeeps ob er uns nach Kilidoni fahren konnte. Für  knapp     50 DM war er bereit. Wir aber nicht.
Wir marschierten in das nahe Dorf und hofften, irgendeinen fahrbaren Untersatz zu finden. Aber zuerst hatten wir Hunger und Durst. Bisher war das stillen dieser niederen Bedürfnisse nie ein Problem gewesen. Hier schon. Es gab einen Gemüseladen und eine Wasserpumpe. Mehr nicht. Keinen Tee, kein Bier, keine Somosa. Andreas ergänzte den Wasservorrat in seine Thermosflasche und wir kauften einige kleine Mangos. Sicher kam bald ein Bus und wir wären wieder in Kilidoni in unserem Hotel mit der guten Küche. So dachten wir. Wieder einmal falsch! Hier gab es keinen Bus. Andere Fahrzeuge, die geeignet wären uns mit zunehmen fuhren die nächste Stunde auch nicht vorbei. Nur der 50,- Mark Jeep fuhr ganz langsam an uns vorüber. Der Junge, mit dem wir am Morgen hier her gefahren waren, wußte auch nicht weiter. Er hoffte auf Georg. Aber Georg kam nicht. Als Beifahrer auf einem Fahrrad verließ er uns.
Was sind schon 15 km, selbst mit Gepäck? Wir entschlossen uns zu laufen. Mit Rucksack auf dem Rücken und Sonne im Gesicht liefen wir mit unserem Geiz, der langsam schwand, Richtung Kilidoni.
Bisher war mir das wahre Gewicht meines Rucksackes nicht bewußt geworden.  Nach 1 km konnte ich es gut einschätzen. Andreas ging es nicht anders. Er erklärte spontan, bei der nächsten Reise zwei Paar Schuhe weniger mitnehmen zu wollen. Als wir von drei fröhlichen schwarzen Frauen überholt wurden, waren wir moralisch dem Nullpunkt nahe.
Zum Glück kam nach ca. 4 km ein freundlicher Autofahrer der uns für Tsh 5.000,- mitnahm. Leider brach er eine schwarz/weiße Diskussion vom Zaun, was unsere Freude des Mitgenommenwerdens etwas trübte. Wären wir doch weiter gelaufen! Er hielt erst wieder am New Lizu Hotel und wir waren nach 8 h wieder zu hause.
Jedenfalls haben wir gelernt, daß nicht alles stimmt was in unserem, ansonsten sehr guten, Reiseführer steht.
Nun sind wir wieder in unserem alten guesthouse, haben das gleich Zimmer wie die letzte Nacht und fühlen uns wie „nach hause gekommen“.
Mit dem Aufstehen fängt für uns der erste Tag der relax time an. Diese sollte eigentlich im Chole Hotel schon einen Tag vorher beginnen, aber auf Chole Island bekam diese Phase einen ganz neuen Aspekt.
Nach dem Frühstück überlegen wir, wie wir wieder auf das Festland kommen. Die Variante mit der Dhau, so interessant und abenteuerlich sie auch war, wollen wir nicht wieder wählen. Andere Schiffsverbindungen gibt es zur Zeit auch nicht. Wir entschieden uns für das Fliegen.
Zum Flughafen gibt es auch keinen shuttle. Wir liefen diesen einen Kilometer zu Fuß. Die Straße war sehr breit, die Häuser standen weit zurück. Dieser verschwenderische Umgang mit Land gefiel uns gut. Eine gewisse Regelmäßigkeit der Bebauung war nicht zu erkennen, einen Bebauungsplan gab es in dieser Reihenhaussiedlung nicht. Nach fünf Minuten standen auf der rechten Seite keine Häuser mehr. Der Blick bis zum Horizont erfaßte wenig Grünes. Einzelne Bäume unterbrachen die Öde. Nach weiteren fünf Minuten gabelte sich die Straße. Die rechte endete nach 50 Metern an einer grün gestrichenen größeren Gartenlaube. Kein Hinweis deutete auf ihre Verwendung hin. Aber wir ahnten sie, das war der Terminal. Drei Schritte durch das Gebäude und wir standen auf der Rollbahn. Leider war weit und breit kein Mensch zu sehen und wir mußten unverrichteter Dinge wieder gehen. Wahrscheinlich wurde zu so früher Stunde, es war etwa 10:00, noch kein Fluggast erwartet.
Wir hatten Urlaub und damit alle Zeit dieser Welt. Wir folgten der linken Straße. Diese war rechts völlig frei, aber links von einem undurchdringlichem Bewuchs begrenzt. Nach wenigen hundert Metern führte ein Pfad in diese Wildnis. Wir folgten ihm abwärts. Er begleitete eine Kaskade, über die das Wasser aus einem Teil von Kilidoni geführt wurde, zum Strand hinab. Wir ließen uns auf den weißen Sand fallen und beobachteten den Lauf der Sonne. Eigentlich wollten wir auch noch den Verlauf der Gezeiten beobachten, das haben wir aber nicht geschafft. Wir waren mit dem ersten Teil vollkommen überlastet. Kinder liefen den Strand ab und suchten Verwertbares. Mit wenig Erfolg.
Nach einiger Zeit hielten wir es für angebracht, den Flughafen erneut aufzusuchen. Wir hatten Glück, der Manager für den Servicebereich war zu sprechen. Er hängte sich auch sofort, nachdem wir unser Anliegen vorgetragen hatten, an den Funk, aber eine Verständigung war im Moment nicht möglich. Wir sollten in zwei Stunden noch einmal kommen, da könne er uns sagen, ob wir mit der Maschine der PRECISIONAIR am nächsten Mittag fliegen könnten.
Bei unserem dritten Besuch an diesem Tag am Flugplatz bekamen wir das O.K. für den Flug von Kilidoni über DSM nach ZNZ. Wir sollten am nächsten Tag 11:00 am Flugplatz sein. Der Flieger ginge 12:00. Dann könnten wir bezahlen und unser Ticket erhalten. Wir wollten eine spontane Feier ausrufen, doch fanden wir keinen Widerhall.
Jenseits des Flughafens, zwei Kilometer vor der Stadt, lag das Krankenhaus. Wir beschlossen, ihm einen Besuch abzustatten. Der Spaziergang in der heißen Nachmittagssonne war anstrengend. Die Straße wand sich durch die Wildnis, vorbei an der Polizeistation, oder war es das Gefängnis, durch die Einöde. Am Horizont waren die flachen Bauten der medizinischen Einrichtung schon zu sehen. Beim Näherkommen erkannten wir mehrere Gebäudekomplexe. Sie waren alle durch betonierte, überdachte Gänge miteinander verbunden und beeindruckten durch die Großzügigkeit ihrer Anlage. Die deutsche Ärztin, welche hier die Chefin machte, haben wir leider nicht gefunden. Das Krankenhaus machte auf uns einen sehr guten Eindruck. Wer wird das Alles bloß bezahlt haben?
Der Weg zurück führte direkt über die Landepiste zur Stadt. Wir kamen durch eine Wohnsiedlung bei der wir nicht wußten, ob sie im Aufbau oder im Verfall war. Einen befestigten Weg gab es nicht. Wir liefen einen Pfad entlang, den andere vor uns getrampelt hatten. Am Ende, kurz vor der Hauptstraße, eine Moschee. Sie war architektonisch sehr schön geschmückt und stand im krassen Gegensatz zu den Hütten in ihrer Umgebung. Einige Meter weiter befand sich in einer alten Baracke der Marketingbereich des Marineparks Chole Bay. Dieses Gebäude paßte sich sehr gut in seine Umgebung ein. Hier wurden T-shirts mit Aufdrucken des Marineparks verkauft und Prospekte über den Park verteilt. Hier konnte man auch Fahrten in den Park und Tauchgänge verkauft.
Wir liefen weiter in die Stadt. Die Aktivitäten außerhalb der Häuser wurden am späten Nachmittag wieder stärker. Vor seiner Tür saß ein Schneider mit seiner Nähmaschine „Singer“. Ich zeigte ihm die offene Naht an meiner Hose. Bis zum nächsten Tag wollte er den Schaden beheben. Hoffentlich! Ich wollte die Hose gern mitnehmen.
Zum Abendbrot gab es in unserem Hotel wieder leckeren Fisch. Danach saßen wir vor dem Hotel auf der Straße und beobachteten das Volk. Die letzten Händler kamen noch vom Strand, da zog die Jugend schon in die entgegengesetzte Richtung und begutachtete die Vertreter des anderen Geschlechts. Überall auf der Welt kannst Du ähnliches beobachten. Unsere waren natürlich viel bunter angezogen als die Teens in Frankfurt.
Vor der Kneipe nebenan fuhr ein großer Geländewagen vor. Ihm entstieg eine große, schlanke Frau. Die deutsche Ärztin des Krankenhauses. Sofort bildete sich um ihren Tisch eine Gesprächsrunde. Leider bekamen wir nicht mit, worüber sie sprachen, denn sie unterhielten sich auf Kisuaheli. Unser Gruß blieb unerwidert, was mich sehr befremdete. Aber wir Deutschen können halt im Ausland nicht gut miteinander. Schade!
Wir erwachten relativ früh, so gegen acht, weil das Reisefieber uns nicht schlafen ließ. Wir hatten auch noch so fürchterlich viel zu erledigen, bevor wir in den Flieger steigen konnten! Trotzdem genossen wir unser letztes Frühstück auf Mafia Island. Zahlten unseren Aufenthalt und packten wieder einmal unsere Rucksäcke. Das wievielte Mal war das wohl? Wir kauften im Marine Park Office T-Shirts und holten am anderen Ende des Ortes meine zum Nähen abgegebene Hose ab. Bei einem Bummel über den Markt fanden wir nichts kaufenswertes. Die Zeit drängte auch und so verstauten wir die restlichen Sachen, verabschiedeten wir uns von unserem guesthouse und marschierten zum Flugplatz.
Der Chef vom Flugplatz, besser sollte man sagen: Airstrip welcher hier Mädchen für alles war, war sehr beschäftigt. Wir nahmen Platz und warteten. Er beschrieb gewissenhaft einen linierten Schulschreibblock. Erkundigte sich dabei nach unseren Namen und schrieb weiter. Dann wollte er von jedem von uns US $ 89,-, händigte uns die halbe A4 Seite als Ticket aus und entschuldigte sich, daß er kein anderes hätte! Ob das wohl gut geht? Wir mußten in DSM in eine andere Maschine umsteigen. Mit dem Ticket?! Egal, von Dar gab es auch andere Verbindungen nach Sansibar, unserem Urlaubsziel.
Die Ankunft der Maschine der PRECISIONAIR wurde in wenigen Minuten erwartet. Inzwischen hatten sich wohl 20 Leute eingefunden. Unser einnehmender Feuerwehrmann, der sich mitunter als Sammeltaxifahrer betätigte, war auch dabei. Dann schwebte sie herein. Holperte etwas auf der unbefestigten Piste, fuhr eine kleine Kurve und stand. Die Tür wurde geöffnet und als Ausstiegstreppe herunter gelassen. Der Wechsel der 10 Passagiere war schnell vollzogen. Mehr war nicht nötig. Wir verstauten unser Gepäck auf den leeren Sitzplätzen und schon gab der Pilot wieder Gas und die Maschine löste sich nach wenigen hundert Metern von Mafia Island.
 
 


>Karte von Mafia Island bis Sansibar<

Der Flug in geringer Höhe über den küstennahen Indischen Ozean bot und einen herrlichen Überblick über die Inseln und das Meer. Es war ein Abschied. Ein Abschied von einem erlebnisreichen Urlaub in Tz. Deshalb schauten wir etwas wehmütig zurück auf die kleiner werdende Mafia Island und die ferne Chole Bay. Unsere Gedanken wanderten den langen Weg zurück nach Mbeya, Sumbawanga, nach Bismarksburg, wir gedachten der glücklich überstandenen Besteigung der Kolombo Falls, der Fahrt mit der Mwongozo und unserer ersten Zugfahrt nach Kasanga. Es waren unvergessene drei Wochen Erlebnisaufenthalt im Westen von Tanzania und den Fahrten hin und zurück. Vielleicht war hier der Zeitpunkt, zu dem wir ernsthaft darüber nach dachten, den Bahnhof von Kigoma, welcher in Ostafrika seines Gleichen sucht, zu seinem hundertsten Geburtstag zu renovieren. Weil wir finden,
daß man gute und schöne Dinge, welche auch einen Fortschritt in das Leben Afrikas gebracht haben, erhalten soll. Die Kolonialherren haben den technischen Fortschritt des 19. Jahrhunderts nach Afrika gebracht. Die Afrikaner haben ihn, soweit sie es vermochten, erhalten. Laßt uns heute ihnen dabei helfen. Laßt uns mit unseren verhältnismäßig großen Reichtum einen kleinen Glanzpunkt setzen und ihnen damit vielleicht helfen auch im Inneren Tanzanias die Touristendollars fließem zu lassen und ihnen so die Möglichkeit zu geben ihrer bitteren Armut langsam zu entrinnen.
Wir flogen nach Dar Es Salam, wo wor noch auf dem Flugfeld unsere ordentlichen Tickets nach ZNZ erhielten. Auf ging es, wieder in die Lüfte über dem Indischen Ozean, nach Sansibar.


>Am Strand von Jambijani<

Und dort, an der Ostküste erwartete uns Jambiani – Beach. Ein vom letzten Jahr vertrauter Ort, wo wir der puren Erholung im warmen Wasser des Indik gewiß waren.