Flußfahrt auf dem Yangtse

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Der Yangtse, 1. Tag

12.05.01
Nach ruhiger Nacht am Anlegesteg ist um 7:30 Wecken über das Lautsprechersystem der Kabinen. Viele treibt die Neugier jedoch schon früher aus dem Bett. Draußen ist noch alles still. Doch kurz vor 8:00 entsteht plötzlich Bewegung und wir legen ab. Das Schiff dreht in die Strömung und es geht flussabwärts. Das ist aber jetzt erst mal uninteressant, denn 8:00 werden die Speisesäle zum Frühstück geöffnet. Am Buffet gibt es alles, was das Herz begehrt und es bleibt kaum ein Wunsch offen. Weil eine ganze Stunde dafür vorgesehen ist, geht alles sehr geruhsam zu. Gestärkt und gesättigt suchen wir nun einen Platz auf dem Oberdeck, um die Aussicht zu genießen. Die Luft ist sehr diesig und die Sonne kann ihre Kraft noch nicht voll entfalten. Das ändert sich jedoch später. Um 9:45 erhalten wir einen Einblick in die Sicherheitsvorkehrungen unseres Schiffes und dessen Servicemöglichkeiten. Alles, was man kauft oder an Dienstleistungen in Anspruch nimmt, wird auf das Kabinenkonto gebucht und erst am Ende bezahlt.
Dann lassen wir an Deck die Landschaft an uns vorbeiziehen. Der deutsche Reiseleiter der GEBECO-Gruppe, die auch auf dem Schiff ist, hält einen kleinen Vortrag über das Für und Wider des Staudammprojekts. Alles ist gigantisch. Es wird ein Staudamm von 175 m Höhe entstehen. Der Stausee wird 600 km lang werden. 26 Turbinen treiben Generatoren zu je 700 Megawatt an. Der trockene Norden Chinas soll mit kostbaren Wasser versorgt werden und die katastrophalen jährlichen Überschwemmungen am Unterlauf des Yangtse sollen ein Ende haben. Aber dafür müssen 1,7 Millionen Menschen umgesiedelt werden, weil ihre Wohnungen im Stausee versinken. Jetzt sind schon einige der neuen Städte zu sehen, die aus dem Boden gestampft werden. Die riesige Wasserfläche des Stausees wird zu einer Klimaveränderung führen und ob der Staudamm künftigen Erdbeben in dieser Region standhält, weiß niemand genau. Die Katastrophe bei einem Dammbruch wäre unvorstellbar. So liegen Fluch und Segen dicht neben einander. Die Auswirkung auf den Tourismus sind nicht so gravierend: von den tiefen Schluchten gehen nur wenige Meter verloren.
Nach dem Mittagessen, welches auch hier wie immer super ist, legen wir an und machen einen Landausflug nach Feng Du. Alles ist topp organisiert. Über einen fast 100 m langen Steg aus Pontons gelangen wir an eine Straße, wo schon die Busse auf uns warten. Nach 15 min kommen wir zur Talstation eines Sessellifts. Für 15 Yuan fahren wir auf den Berg, wo sich ein buddhistisches Heiligtum befindet. Unser chinesischer Reiseleiter meint, nach der Flutung des Stausees brauchen wir keine Seilbahn mehr. Da kann man direkt am Berg anlegen. Eine örtliche Führerin erklärt uns die Bedeutung der einzelnen Skulpturen der "Ghost City". Am Ende können wir noch in einer Teestube verschiedene Sorten probieren und bei deren Zubereitung zusehen.
Nach der feuchtheißen Witterung ist unser erster Weg auf dem Schiff in die Dusche. Außerdem müssen wir uns für die "Captains Welcome Party" feinmachen, die 17:30 auf dem Sonnendeck stattfindet. Da gibt es eine Ansprache des Kapitäns und zu trinken soviel man will. Nach dem Abendessen findet 21:00 noch die "Elaine Welcome Crew Show" statt. Mitglieder der Besatzung führen verschiedene chinesische Folklore vor. Langeweile kommt also nie auf.


Der Yangtse, 2. Tag

13.05.01
Heute morgen werden wir bereits 5:30 von der sanften Lautsprecherstimme geweckt, weil etwa 6:00 die Einfahrt in die erste Schlucht, die Qutang-Schlucht beginnt. Das Wetter ist sehr diesig und die hohen, steilen Felswände verleihen der ganzen Szenerie etwas gespenstiges. Die Schlucht ist so schmal, dass die großen Schiffe im Einbahnverkehr fahren müssen. Auf Grund der Enge ist die Strömung sehr stark und die "Elaine" erreicht eine beträchtliche Geschwindigkeit. Als es noch keinen Motorantrieb für Wasserfahrzeuge gab, konnte hier kein Schiff die Strömung überwinden. Deshalb wurden 15 m über dem Wasserspiegel in die senkrechten Felswände Pfade geschlagen, auf denen Treidler die Schiffe an Seilen bergauf zogen.
Nach 15 min ist alles vorbei und wir stärken uns erst mal beim Frühstück. Gegen 7:30 fahren wir in die Wu- oder Hexen-Schlucht ein. Nach 1 1/2 Stunde geht unser Schiff am Ende der Schlucht außerhalb der Fahrrinne vor Anker. Ein Landungsboot kommt längsseits und bringt uns ans Ufer. Dort steigen wir in lange, flache Holzboote um, die immer 16 Personen fassen. 2 Mann steuern das Boot und 4 ziehen uns von Land aus einen schmalen Nebenfluss, den Shennong hinauf. Wenige Meter nach Verlassen der Mündung in den Yangtse wird das Wasser plötzlich glasklar und jeder Stein auf dem Grund ist zu erkennen. Anfangs ist das Gelände noch flach und wird landwirtschaftlich genutzt. Doch dann werden die Berge immer höher und die Schlucht schmaler. Dadurch ist auch die Strömung sehr stark und unsere Treidler müssen sich mächtig plagen. Außer den müssen sie in jeder Biegung die Flusseite wechseln, damit sie der stärksten Strömung entgehen. Nach 5 km ist das Ende erreicht. Der Fluss ist jetzt so flach, das die Boote immer öfter auf dem Grund entlang schleifen. An einer Kiesbank in einer Kurve legen wir an und mit uns etwa 30 weitere Boote. Hier machen wir und vor allem die Treidler eine verdiente Pause von 30 min. Auf dieser Kiesbank haben viele Händler ihre Stände aufgebaut. Sie sind jedoch nicht so lästig wie an anderen Orten, sondern warten, bis die Kunden zu ihnen kommen. Die Rückfahrt mit der Strömung ist ein reines Vergnügen und geht sehr schnell.
Nach dem Durchqueren des Westteils der Xiling-Schlucht gelangen wir zur Staudamm-Baustelle. Die Umrisse des Nordteils der Staumauer kann man schon erkennen. Wo der südliche Teil entstehen soll, fließt jetzt noch der Jangtse durch. Unterhalb der Staumauer erkennen wir eine völlig neue Stadt, wo zur Zeit die Bauarbeiter wohnen. Am Steg, wo wir über Nacht anlegen wollen, hat bereits ein Schiff festgemacht. Es ist unser Schwesternschiff, die "Princess Sheena". Die Besatzungen beider Schiffe kennen sich gut und begrüßen sich mit großem Jubel.
Auf Anfrage dürfen wir sogar einen kleinen Bummel an Land machen. Die Einwohner sind sehr freundlich und überall werden wir eingeladen, in ein Restaurant zu kommen.

Der Staudamm

14.05.01
Gegen 8:00 verlassen wir das Schiff zu einem Landausflug. Am Ufer stehen schon mehrere moderne Reisebusse bereit und ein örtlicher Reiseführer wartet auf uns. Wir wollen die Staudamm-Baustelle besichtigen. Der erste Halt bietet einen Einblick in den nördlichen Teil der Staumauer. Er wird 16 Turbinen mit je 700 Megawatt Leistung enthalten. Riesige Kräne beherrschen das Bild. Viele internationale und auch deutsche Firmen sind am Bau beteiligt.
Dann fahren wir noch ein Stück auf die Spitze eines Berges, wo man von dem sehr schön gestalteten Visitor-Center die gesamte Baustelle überblicken kann. An einem Modell kann man die Bedeutung der einzelnen Abschnitte erkennen. Der südliche Teil der Staumauer, wo jetzt noch der Yangtse durchfließt, wird 12 Turbinen erhalten. Mit dem Bau dieses Teils wird nach Fertigstellung des Nordteils begonnen. Von einem gigantischen Schiffshebewerk und einer fünfstufigen Schleusentreppe sind bereits die Umrisse zu erkennen. Die gesamte Bauzeit wird 18 Jahre betragen. Auf der Baustelle arbeiten etwa 20000 Menschen in drei Schichten.
Als wir zurück an Bord sind, legt unser Schiff ab. Nach kurzer Zeit fahren wir in den Ostteil der Xiling-Schlucht. An deren Ende liegt der Gezhouba-Damm mit einer Stauhöhe von 20 m. Er ist der Test für den großen Damm gewesen. In einer gewaltigen Schleuse überwinden wir den Höhenunterschied. Danach ist die Landschaft ganz flach und der Fluss mehr als 100 m breit.
An Deck ist die Hitze kaum noch zu ertragen. Selbst in der Kabine sind mit Klimaanlage 26° C. Zur Auflockerung wird etwas Unterhaltung an Bord geboten: Ein kurzer Besuch der Kommandobrücke, ein Vortrag über Süßwasserperlenzucht mit Verkauf und eine Vorführung von traditionellen chinesischen Musikinstrumenten. Das Abendessen ist wie immer hervorragend. Um 21:00 beginnt die Abschiedsvorstellung. Verschiedene Besatzungsmitglieder führen chinesische Volkstänze vor und die Bibliothekarin singt wie eine Opernsängerin. Einfach super.

Wuhan

15.05.01
Die ganze Nacht ist unser Schiff durchgefahren. Der Yangtse ist zwar breit wie ein See, aber kein Schiff hat irgendwelche Beleuchtung, auch unseres nicht. Das soll alles nur mit Radar gehen? Na jedenfalls sind wir heil durch die Nacht gekommen. Kurz nach 10:00 nähern wir uns einer großen Stadt mit vielen Hochhäusern: Wuhan.
Als wir von Bord gehen, spielt die Kapelle "Muss i' denn ...". Am Kai wartet schon eine Reiseleiterin mit Bus auf uns. Sie wird uns auf der Fahrt durch die Stadt begleiten.
Wuhan ist die kleinste Stadt, die wir besuchen, denn sie hat "nur" etwa 4 Millionen Einwohner. Sie ist berühmt, weil Mao im Alter von 60 Jahren den hier schon sehr breiten Fluss durchschwommen hat. Abgesehen von der Entfernung gehört schon Mut dazu, sich der trüben gelbbraunen Brühe anzuvertrauen. Unweit dieser Stelle überquert heute eine riesige Hängebrücke den Yangtse. Deren Bau wurde in den 50er Jahren von den Russen begonnen. Als sich die politische Lage zwischen beiden Ländern zuspitzte, packten die Russen ihre Sachen und ließen die Chinesen mit der halbfertigen Brücke sitzen. Seitdem ist hier niemand mehr gut auf die Russen zu sprechen.
Zum weiteren Programm gehört der Besuch vom "Turm des gelben Kranich", Mittagessen, Besichtigung eines Bonsai-Gartens und der angeschlossenen Mineralien-Sammlung und ein Bummel durch einen freien Markt. Am späten Nachmittag geht dann die Fahrt zum Airport, von wo wir nach Shanghai fliegen.
Diesmal fliegen wir mit der China Southern Airlines. Etwa 18:30 erfolgt der Start. Die Boeing 757 ist sehr laut. Man kann sich kaum unterhalten. Trotz der kurzen Flugzeit bekommen wir aber ein volles Abendessen. Die Qualität ist jedoch nicht so toll.


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