Die Unruhe im Zug wuchs zusehends, also war unser Ziel nicht fern. Wir sahen aus dem Fenster, ob die uns nun schon bekannte Landschaft von etwas neuem abgelöst würde. Tatsächlich leuchtete es nach einer Biegung der Gleise, blau am Horizont. Der Tanganykasee! Das erste Ziel unserer Reise hatten wir fast erreicht. Dieser See beherbergt 16 % aller Trinkwasservorräte der Erde! Dies kann man sich, trotz seiner Ausdehnung, er hat eine Länge von 700 km, eine Breite von 50 km und eine Tiefe von 1700 m, schwer vorstellen. Je näher wir kamen, um so beeindruckender wurde diese gewaltige Wasserfläche, bis sie schließlich unser gesamtes Blickfeld einnahm. Ein schwacher Wind erzeugte einen leichten Wellengang, der einige Fischerbote schaukeln ließ. Aber auch etwas schneller fahrende , größere Boote, kreuzten über den See. Es war ein reger Schiffsverkehr.
Die Öltanks im Vordergrund störten das Bild der friedlichen Natur. Als wir an denen vorbei waren, fuhr der Zug durch eine letzte Krümme und das Gleis führte direkt auf das, für afrikanische Verhältnisse, riesige Bahnhofsgebäude zu. Es stand mit seiner breiten Front etwas schräg zu den Gleisen, so das seine Größe noch deutlicher wurde. Es ist, durch seine gegliederte Bauweise, sehr schön. Der Architekt das Gebäude pyramidenförmig aufgebaut, so das es gar nicht wie ein langweiliges Bahnhofsgebäude ausschaut. Die Fassade ist durch Loggien aufgelockert. Im Bahnsteigbereich wird die Front durch Torbögen, welche das Gebäude öffnen, aufgelockert. Eine breite Freitreppe führt in den Servicebereich und zu einem Durchgang zur Stadt. Die darüber angeordnete Terrasse lädt zu einem Kaffee ein. Störend für mich wirkte lediglich das Wellblechdach. Zwar ist es rot gestrichen, so das man von Weitem es als solches nicht identifizieren kann, jedoch bei näherer Betrachtung stört es doch sehr in diesem gelungenem Ensemble.
Der Europäer vermißt den Hinweis, wo er hier ist. Das Schild von „Kigoma“ stand etwas abseits im Bereich einiger Werbetafeln.
Von hier hat man auch einen guten Blick auf das Bahnhofsgebäude.
Mit diesem, für die Gegend, gewaltigen Bau sollte die Macht der Kolonialherren
symbolisiert und der Durchquerung von Ostafrika ein Denkmal gesetzt werden.
Dieses Denkmal steht nun seit 86 Jahren am Tanganjikasee und die Fassade
wartet auf eine Renovierung, die Haustechnik und das Dach bedürfen
einer Erneuerung.
Nachdem wir das Denkmal auf uns haben wirken lassen, schritten wir
die Freitreppe hoch, gingen durch das Gebäude und betraten den Bahnhofsvorplatz.
Wir hatten uns in unserem Reiseführer über die Möglichkeiten
informiert, die uns Kigoma zur Hotelauswahl bot. Durch unsere Auswahlkriterien
hatten wir uns für das „Lake Tanganyka View Hotel“ entschieden.
Der Stadtplan von Kigoma unseres Reiseführers wies uns den Weg.
Wir marschierten los. Den Bahnhof im Rücken führte unser Weg
rechts, parallel zum Seeufer, auf so einer Art Straße entlang. Da
offensichtlich nicht alle Trampelpfade eingezeichnet waren, standen wir
bald am Hafen und es ging nicht weiter. Unsere Richtung war schon richtig,
nur waren wir etwas zu weit rechts gelandet. Also den Weg zurück,
den Berg wieder hinauf und weiter gen Süden. Da hörte unser Pfad
an einem Drahtzaun auf. Dahinter war eine Hotelanlage zu erkennen. Wir
wandten uns nach links und standen nach wenigen Metern am Tor zu dem von
uns gewählten Hotel. Allerdings hatte sich unser Reiseführer
hier im Namen geirrt. Richtig ist: „Lake Tanganyka Beach Hotel“.
Das Doppelzimmer kostete 16 $, hatte Seeblick, Moskitonetze über
den Betten, Toilette und Dusche. Am Fenster fehlten einige Scheiben und
das warme Wasser war kalt. Sonst gab es nichts auszusetzen und wir verteilten
unsere Klamotten im Schrank, besorgten uns ein Bier und ließen den
herrlichen Ausblick auf den See und die in weiter Ferne erkennbaren Berge
des Kongo auf uns wirken. Von den Anstrengungen des Vormittags ermattet,
ließen wir uns zu einem Mittagsschlaf auf unsere frischen Betten
fallen und genossen die Ruhe am See.
Hungrig, aber gestärkt brachen wir dann zu einer Ortsbesichtigung
auf.
Stadtplan von Kigoma
Unser erster Weg führte zum Hafen. Von hier war vor 24 h unser
Schiff, die M.V. Liemba nach Mpulungu gestartet. Aber es lag noch im Hafen!?
Im Hafen zur Überholung lag die „Graf von Götzen“ (Name des Schiffes,
welches es zu seinem Stapellauf erhielt) schon einige Zeit und es würde
wohl noch ein paar Wochen dauern. Die Route nach Sambia wurde inzwischen
von der „M.V. Mwongozo“ befahren. Die Tickets solle es nicht vor Montag
geben. Genügend Zeit, sich auf den Kauf vorzubereiten.
Unser Weg in Richtung Bahnhof führte uns an einem von einem Bretterzaun
umgebenen Lokal mit einem vielversprechenden Namen, der mir leider entfallen
ist, vorbei. Kurz vor dem Kreisverkehr, welcher, auf Grund seiner Form,
Großer Ovalverkehr heißen müßte, befindet sich auf
der linken Seite des Weges ein kleines Restaurant mit einem großen
Garten. Hier gibt es landestypische Gerichte und natürlich Bier. Warm
oder kalt. Das zahlreiche Personal ist sehr freundlich und flink.
Der Kreisverkehr hat solche Ausmaße, das er als solcher schwer
zu erkennen ist. Der Fremde hat hier sicher Probleme. Aber die großen,
geländegängigen Pickup der weltweit wohlbekannten Hlfsorganisationen,
von einheimischen Fahrern gesteuert, fanden sicher ihren Weg. Dies waren
auch, abgesehen von einigen Bussen und DallaDallas die einzigen Fahrzeuge,
die hier den Straßenverkehr symbolisierten.
Vom Bahnhof nach Osten stieg die Straße steil an. Sie wurde hauptsächlich
von Geschäften gesäumt. Auch gab es Hotels und guesthouses, wenige
Restaurants eine Bank und eine Tankstelle. Auch gab es ca. vier Fotogeschäfte.
In der Hoffnung, unsere Anwesenheit in Kigoma durch eine Postkarte nach
hause dokumentieren zu können, betraten wir eines und fragten nach
Ansichtskarten. Fehlanzeige! So etwas gibt es nicht. Wer kauft schon Ansichtskarten
von Kigoma? Die Touristen haben alle selber Fotoapparate und fotografieren
was ihnen gefällt und die Eingeborenen verschicken keine. Wie versuchten
es noch in anderen Fotogeschäften, auf der Post, am Zeitungskiosk
und im Schreibwarenladen. Mit dem gleichen Ergebnis. Da wir zu den wenigen
zählten, die keine Kamera dabei hatten, mußten wir uns etwas
einfallen lassen. Wir gingen wieder in ein Fotogeschäft und frugen
nach dem Patron. Er wurde erst am anderen Tag gegen 11:00 Uhr erwartet.
So fing unser stress an. Wir hatten einen Termin!
Vor den tiefen Straßengräben saßen Frauen von den
umliegenden Dörfern und boten die Erträge ihrer Felder zum Kauf
an. Hier bekam man das ganze Aggrarsortiment der Region. Kartoffeln. Tomaten,
Ananas, Manjok, Mangos, Zwiebeln und Bananen. Sie hatten die Früchte
zu kleinen Türmen aufgestapelt und warteten auf Käufer. Die Zeit
vertrieben sie sich mit gestenreichen Gesprächen, dem Stillen der
Kleinsten und mit dem Ansprechen der Vorübergehenden. Auch uns versuchten
sie ihre Ware aufzuschwatzen, kicherten aber sogleich, weil sie wohl wußten,
das wir mit den meisten angebotenem Gemüse nichts anfangen konnten.
Für den ersten Tag hatten wir genügend gesehen und der Hunger
meldete sich auch schon langsam. Wir nahmen eine andere Straße zurück
zum Hotel. Diese führte uns an dem Konsulat von Burundi vorbei, ein
Gebäude vom Charme eines Dorfkonsums. Aber dann schälte sich
aus den Bäumen die Residenz des „Comissionar of Kigoma“. Von den Fenstern
und Veranden hatte man sicher einen wundervollen Blick auf die Stadt und
den See. Es wurde aber sehr streng bewacht, so daß an einen Besuch
nicht zu denken war. Aus eigenen Mitteln hätte der Comissionar sich
diesen Palast nicht errichtet. Er war so schlau, seine Residenz einfach
in das Haus zu verlegen, das für den Empfang des Deutschen Kaisers
errichtet wurden war. Er wollte Kigoma 1914 besuchen. Da kam der Krieg
dazwischen und Wilhelm der II. konnte sich nie von der Pracht seiner Eroberungen
überzeugen. Das Haus wird noch heute als „the Kaiser House“ bezeichnet.
Zum Abendbrot gab es einen Fisch, für den der Teller zu klein
war, dazu Kartoffeln und Tomatensalat. Wir waren zufrieden. Nach dem Essen
nahmen wir einen Verdauungsschluck aus unseren Reiseflaschen, duschten
uns und zogen uns andere Sachen an. Wir wollte in die Bar vom Kigoma Hotel,
die, wie der Reiseführer schrieb, sehr beliebt war. Er hatte nicht
zu viel versprochen. Es war recht voll und alle starrten auf den Bildschirm,
auf dem ein lautes Musikvideo von einem noch lauteren abgelöst wurde.
Die Stimmung war gut und so konnten wir „in Ruhe“ ein paar Bier trinken
und die Eingeborenen studieren.
Da die Temperatur unter 25 oC gesunken war, waren wir dankbar, uns
zudecken zu können. Die Moskitonetze wurden entknotet und um das Bett
gehangen, nun konnte die laue Sommernacht im Januar kommen.
Mitten in der Nacht wurde ich wach. Regen trommelte an die Scheiben,
sofern welche da waren, über den Bergen des Kongo tobte ein Gewitter,
jedenfalls sahen wir die Blitze zucken und Andreas wühlte in seinem
Bett. Der Regen hatte ihn oberhalb der Schultern samt Bett völlig
durchnäßt. Für diese Nacht mußte er mit den Füßen
zum Fenster weiter schlafen. Morgen würden wir uns beim Reiseveranstalter
entsprechend beschweren.
Am Morgen war der Himmel wieder klar, das Gewitter hatte sich verzogen und nur das Bett war noch naß. Die warme Dusche sollte uns für die Kälte der Nacht entschädigen, aber der Boiler war wahrscheinlich nicht eingeschaltet worden. So überlegten wir nicht lange, nahmen unsere Handtücher um die Hüften und gingen schwimmen. Ohne Tuch. Wir waren zwar etwas unruhig, weil es hier Wasserkobras geben sollte, aber ich hab keine gesehen. Das ca. 23oC warme Wasser war toll. Nachdem wir die den steinigen Uferbereich überwunden hatten, schwammen wir in den klaren See hinein und fühlten uns pudelwohl. Der Tanganjikasee soll einer der wenigen bilharziosefreien Seen Afrikas sein. Wir hofften, daß das stimmt.
Seeblick